Blockchain auf dem Vormarsch

Blockchain auf dem Vormarsch
© Unsplash: Hitesh Choudhary

Die Getränkebranche steht vor großen Herausforderungen und sieht sich dabei mit vielen Themenkomplexen konfrontiert. Einer davon ist die Digitalisierung. Jedes Unternehmen muss sich entscheiden, welche digitalen Innovationen es sich ins Haus holt. Aktuell gilt die Blockchain als eines der Buzzwords. Sie hat das Zeug, etliche Branchen grundlegend zu verändern, indem sie für mehr Transparenz und Effektivität sorgt. Marketing und Medien gehören bislang ohnehin mit zu den Branchen, die durch die Digitalisierung die stärksten Veränderungen erfuhren. Für die Getränkeindustrie sind aber auch Themen wie Logistik und Lebensmittelsicherheit von erheblichem Interesse. Hier existieren bereits zukunftsweisende, auf der Blockchain-Technologie basierende Projekte.

Die bislang populärsten Anwendungen dürften Kryptowährungen sein. Doch die Blockchain kann mehr, als Gelder ohne Banken zu transferieren. Mittels sogenannter „Smart Contracts“ werden Daten zwischen Anbietern und Nutzern vollautomatisch gehandelt und dann mit Hilfe der Kryptowährungen abgerechnet. Die unterschiedlichsten Geschäftsabläufe können so automatisiert sowie Geschäfte direkt und dezentral abgewickelt werden. Die Technologie stellt mittels Algorithmen Integrität in einem dezentralen Netzwerk von Teilnehmern her, die sich nicht kennen und sich daher per se nicht vertrauen. Weil die Datensätze der Blockchain durch kryptographische Verfahren untrennbar miteinander verbunden sind, ist die Korrektheit der Daten sichergestellt. Jeder Datensatz („Block“) bezieht sich auf den jeweils vorangegangenen. Alle Aktionen werden wie in einem Logbuch aufgezeichnet. Weil sie aufeinander aufbauen, ist es nicht möglich, frühere Transaktionen zu manipulieren, ohne alle folgenden zu ändern. Dadurch sind Veränderungen an der Blockchain sofort für alle Teilnehmer erkennbar.

Ersatz von dominierenden „Mittelsmännern“

Die Blockchain gilt als dezentrale Kraft. Sie könnte die Organisation der Wirtschaft nachhaltig verändern. Bislang waren für etliche Prozesse zwischengeschaltete, zentrale Instanzen zwingend erforderlich. Um eine Anzeige oder einen Spot zu schalten, war es nötig, sich an Verlage, Sender, Agenturen oder Suchmaschinen wie Google und mobile Apps wie Facebook zu wenden. Diese organisierten den nötigen Prozess, so dass die Inhalte zum Adressaten gelangten. Diese Zentralität wurde durch die Digitalisierung sogar noch verschärft. Start-ups arbeiten derzeit daran, diese dominierenden „Mittelsmänner“ durch dezentral organisierte Blockchain-Netze zu ersetzen. So ist eine direkte und automatisierte Abwicklung von Werbeschaltungen zwischen Anbieter und Werbungstreibendem denkbar. Ein weiteres Beispiel sind Fotoagenturen. Fotografen könnten ihre Bilder in einen Cloud-Speicher hochladen und ihre Preise selbst festsetzen. Über Smart Contracts würden Käufer die Fotos lizenzieren und bezahlen.

Blockchain in der Praxis: Logistik und Lebensmittelsicherheit

Aktuell wird daran gearbeitet, die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie für die Logistik zu nutzen. So könnte der administrative Aufwand mittels des Ersatzes von Frachtpapieren durch „Smart Contracts“ – welche alle relevanten Dokumente und Daten bündeln – erheblich minimiert werden. Eine in der Entwicklung befindliche Plattform ist TradeLens, eine Kooperation zwischen der dänischen Reederei Maerks und  dem IT-Konzern IBM. Sie beinhaltet Versandinformationen, relevante Dokumente oder Zollpapiere. Jedes an der Logistikkette beteiligte Unternehmen bis hin zu Behörden kann damit in Echtzeit auf alle Daten zugreifen. Darüber hinaus steht ständig jede erforderliche Information bezüglich des Lieferstatus und des Zustands der Waren, wie deren Temperatur, zur Abfrage zur Verfügung. Insbesondere bei schnell verderblicher Ware, ergeben sich hier attraktive Möglichkeiten für die Getränkeindustrie. Denn Auslöser von Problemen lassen sich schnell herauszufinden und beseitigen.

Transparenz von Lieferketten – für Industrie und Verbraucher

DNV GL, ein Unternehmen für Qualitätssicherungs- und Risikomanagement, unterstützt die Lebensmittel- und Getränkeindustrie mit der auf der Blockchain-Technologie basierenden digitalen Sicherheitslösung „My Story“, die Transparenz ihrer Lieferkette zu erhöhen. Italienische Winzer seien die ersten, die damit einen Einblick in die verschiedenen Eigenschaften und Produktionsprozesse jeder Weinflasche geben werden. Der Verbraucher kann durch den Scan des QR-Codes auf der Verpackung den Weg von der Traube bis zur Flasche nachvollziehen. Die am Produkt beteiligten Unternehmen und der Handel können laut DNV GL auf verifizierte Daten zurückzugreifen, um ihre Lieferkette besser zu verstehen und gleichzeitig jeden Aspekt der Produkte hinsichtlich wirtschaftlicher, qualitativer, sicherheitstechnischer, ökologischer und ethischer Kriterien zu optimieren. Bis Ende 2018 sollen die ersten Weinflaschen das „My Story“-Etikett tragen.

Garantierte Nachhaltigkeit

Sustainable Sugar Project“ lautet der Name eines Projektes, welches die australische Zuckerproduktion künftig auf die Säulen Produktivität, Nachhaltigkeit und Profitabilität stellen soll. Die australische Regierung fördert eine Blockchain-Lösung für den nachhaltigen Anbau von Zucker. Ziel ist die Lieferketten der Zuckerrohrimporte in das Land abzusichern und damit die Herkunft und nachhaltige Produktion zu garantieren. Weiter soll die weltweit steigende Nachfrage, insbesondere aus der Getränkeindustrie, nach nachhaltigem Zucker erfüllt werden.

Auch wenn kurzfristig keine radikalen Veränderungen durch die Blockchain zu erwarten sind und ihre praktische Umsetzung noch am Anfang steht, sollte sich die Getränkeindustrie zweifellos damit beschäftigen. Experten erwarten, dass das Thema in einem Zeitrahmen von rund zehn Jahren äußerst relevant sein dürfte. Dabei bleibt es spannend zu sehen, wie und wann die Technologie tatsächlich bereit ist, um die riesigen Mengen an Datentransfers dezentral über die Blockchain zu ermöglichen. Auch die Kostenseite für die benötigte Energie ist ein heißes Thema. Noch ist die Blockchain in ihren Anfängen. Man wird sehen wie weit ihre Reise bis zur nächsten drinktec schon gediehen ist.

Andra Gerhards

Andra Gerhards ist freie Journalistin und Texterin. Sie hat Ihren Schwerpunkt in den Bereichen Marketing für Kommunen und kommunale Unternehmen, (Nachhaltiger) Konsum und Einzelhandel.